Angesichts des dramatischen Befunds von sozialer Ungleichheit unseres Bildungswesens sind Sonderpädagogen aufgefordert, für jene Gruppe der neuen "überflüssigen" Antworten und Konzepte zu entwickeln, die deren Teilhabe an Bildungsprozessen und gesellschaftlichem Leben eröffnen und sichern. Bezogen auf die Gruppe der Schüler mit dem Schwerpunkt Lernen wird zunächst unter historischer Perspektive die Frage nach dem Spannungsverhältnis von gesellschaftlicher Anpassung und individueller Entfaltung diskutiert, wobei sich bis in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine eindeutige Dominanz utilitaristischer Interpretationen sonder- und berufspädagogischer Bildungsziele nachweisen lassen. Die in Zeiten von demokratischem Aufbruch und Vollbeschäftigung auch für Benachteiligte neu formulierten Leitideen von Emanzipation und Chancengerechtigkeit drohen erneut vor dem Hintergrund eines sich seit den 70er-Jahren vollziehenden Wandels des Bildungssystems zu Gunsten von Selektion und Leistungssteigerung an Bedeutung zu verlieren. Die veränderten gesellschafts- und bildungspolitischen Parameter fordern die Sonderpädagogik heraus, ihre berechtigten Forderungen nach Integration und Inklusion unter Einbeziehung der gegenwärtigen Rahmenbedingungen zu reflektieren und gewachsene Bildungsstrukturen für Behinderte und Benachteiligte nicht vorschnell preiszugeben.
Enthalten in:
Zeitschrift für Heilpädagogik; 2006/12
(2006)
Serie / Reihe: Zeitschrift für Heilpädagogik
Personen: Ellger-Rüttgardt, Sieglind
Ellger-Rüttgardt, Sieglind:
Berufliche Bildung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf - historische Aspekte und gegenwärtige Anforderungen / Sieglind Ellger-Rüttgardt, 2006. - S.442-448 - (Zeitschrift für Heilpädagogik)
Zeitschriftenaufsatz