Überweisungen an Sonderklassen kommen bei Kindern und Jugendlichen von Zuwanderern nicht nur unverhältnismäßig häufig vor, sie nehmen bedenklich schnell zu. Obschon der begrenzte Erklärungsgehalt individualtheoretischer Interpretationen von Lernschwierigkeiten seit Jahrzehnten bekannt ist, dominiert der schlichte Rückgriff auf individuelle Mängel die Diskussion um geringeren Bildungserfolg von Immigrantenkindern. Die Analyse bildungsstatistischer Daten aus der Bundesrepublik Deutschland und aus der Schweiz sowie Vergleiche von Leistungsergebnissen aus einer Längsschnittuntersuchung zeigen hingegen, dass die Überweisungsanteile eher das Ergebnis der örtlichen Eigenheiten der Selektionsstruktur sind, als dass sie in der Varianz der Schülermerkmale begründet wären. Unter anderem ist ein irritierend lockerer Zusammenhang zwischen der individuellen Leistungsfähigkeit und der Zuweisung in eine Sonderklasse zu beobachten. Die Ergebnisse der Studie weisen ausserdem darauf hin, dass ein Verzicht auf die kaum zu legitimierende Selektionspraxis mit keinem Nachteil für die inhaltliche Lernentwicklung der Immigrantenkinder verbunden ist.
The referral of children and young people from immigrant families to special schools is not only disproportionately high; it is increasingly at a concerning pace. Despite the restrictive explanation power of individual-theoretic interpretations, which has been known for decades, the discussion on low educational achievernent commonly falls back on individual deficiencies for explanations. In contrast, an analysis of educational statistics from Germany, Switzerland and a long-range study of comparative achievement show that the referral rate is more likely to be related to the local characteristics of the respective selection structure, than a variance in pupil characteristics. Among other things, an irritatingly loose connection between individual ability and referrals to special schools is observable. The results of the study show, further, that dropping selection practices, which seem hard to legitimize anyway, does not result in disadvantages for the learning development of immigration children.
Enthalten in:
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft; 2003/1
(2003)
Serie / Reihe: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft
Personen: Kronig, Winfried
Kronig, Winfried:
¬Das¬ Konstrukt des leistungsschwachen Immigrantenkindes / Winfried Kronig, 2003. - S.126-141 : graph. Darst., Tab. - (Zeitschrift für Erziehungswissenschaft)
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