Unter dem Titel "Soziobiologie" tritt seit den 1970er Jahren eine einflussreiche Wissenschaftsrichtung mit dem Ziel einer Vereinheitlichung vieler Wissenschaftsbereiche an. Unter einer naturwissenschaftlichen Ausrichtungen sollten im Rahmen einer Synthese auch die Sozialwissenschaft und insbesondere die Soziologie "biologisiert" werden. Diese Vereinheitlichung kann heute als gescheitert gelten, obwohl die Soziobiologie und andere evolutionäre Theorien sich insgesamt behauptet haben und in diversen Disziplinen anschlussfähig wurden. In diesem Beitrag wird die These vertreten, dass der Erfolg der Soziobiologie wesentlich auf dem Verzicht weitreichender theoretischer Implikationen basiert. Nach dem Referat früherer kontroverser Positionen zur Soziobiologie werden die gegenwärtigen evolutionstheoretischen Ansätze vorgestellt (E.O. Wilson, Evolutionspsychologie, Mem-Theorie). Anhand der menschlichen Monogamie wird anschließend beispielhaft beschrieben, wie sich Merkmale der sozialen Evolution über die biologischen Faktoren legen können. Es wird geschlussfolgert, dass die Reichweite evolutionstheoretischer Ansätze letztlich empirisch zu bestimmen ist, gegenwärtig aber viele soziologische Gegenstandsbereiche und insbesondere makrosoziologische Phänomene nicht soziobiologisch erklärt werden können.
Since the 1970s sociobiology has tried to build a new synthesis of scientific fields under a biological regime. This unification of scientific disciplines has failed, although sociobiology and other evolutionary theories have gained much influence in several research fields. In this article the hypothesis is developed that the sociobiological success is mainly based on the renunciation of earlier strong theoretical implications. After having described the early controversial perspectives on sociobiology, contemporary evolutionary theories are elaborated (E.O. Wilson, evolutionary psychology, mem-theory). Based on the example of human monogamy it is then shown how elements of social evolution are covering biological evolutionary aspects. It is concluded that the range of evolutionary theories has to be evaluated empirically. However, at present many sociological topics, and especially macrosociological phenomena can not be explained sociobiologically.
Enthalten in:
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; 2005/3
(2005)
Serie / Reihe: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
Personen: Richter, Dirk Gartner, Hermann Glück, Timea
Richter, Dirk:
¬Das¬ Scheitern der Biologisierung der Soziologie : Mechanismen geschlechtsspezifischer Entlohnung / Dirk Richter, 2005. - S.523-542 - (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie)
Zeitschriftenaufsatz