Die große Bedeutung von PISA und die neue Sicht von Lern- und Bildungsprozessen in der Gegenwart werden erst bei einer historischen Aneignung deutlich. Von ca. 1800 bis zur Gegenwart hat sich das moderne Bildungswesen in vier ziemlich regelmäßigen Wachstumswellen in der Tiefenstruktur des gesellschaftlichen Lebens aufgebaut. Um 1890 ist die Eigendynamik des Bildungssystems erstmals bewusst geworden. Die europäischen Gesellschaften haben zunächst in nationalen Bahnen gelernt und sich erst nach den Weltkriegen zu universalistischen Werten mit internationalem Geltungsanspruch. vorgearbeitet. Dabei hat Deutschland im 20. Jahrhundert seine internationale Vorbildfunktion in Bildungsfragen verloren. Der Nachholbedarf (auch beim integrativen Lernen) ist nur in mehreren Generationen aufzuholen. Unsere Bildungsanstalten sind eine Erbschaft des Absolutismus und müssen heute mehr Spielräume für eine autonome Steuerung erhalten. Wir sollten uns von dem hartnäckigen deutschen Vorurteil befreien, dass die Kultur durch wachsende Bildungsbeteiligung verfalle. Vielmehr baut sich durch die Eigendynamik des Bildungswesens eine Kultur der Teilhabe von unten auf. Only within its historical reconstruction does the importance of PISA and the associated new insights into current learning and educational processes become clear. Modern educational systems emerged from the deep-structure of society between 1800 and the present in four distinct waves of growth. Around 1890, it was recognised that the education system was developing its own momentum. Initially, the European societies took national routes to educational development and it was only after the two World Wars that universalist values were developed which proclaimed international validity. During all this, 20th century Germany lost its exemplary role in questions concerning education. It will take generations to catch up ford evelopmental lags (e.g. in approaches to integrative learning). Our educational institutions are an inheritance of Absolutism and they must be given more freedom for self-determination. We should free ourselves from the resilient German prejudice that culture deteriorates in proportion to growing education participation. A culture of sharing which develops from the bottom up can, in fact, be achieved through increased educational participation.
Enthalten in:
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft; 2002/4
(2002)
Serie / Reihe: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft
Personen: Titze, Hartmut
Titze, Hartmut:
¬Die¬ Evaluierung des Bildungswesens in historischer Sicht / Hartmut Titze, 2002. - S.552-569 - (Zeitschrift für Erziehungswissenschaft) Qualitätsmanagement im Bildungswesen
Zeitschriftenaufsatz