Die Gender bezogene Forschung der letzten Jahre setzte sich insbesondere mit Differenzen in mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen auseinander, während die Unterschiede im Leseverständnis weniger Beachtung fanden. Dabei sind national wie auch international die Befunde von groß angelegten Schulvergleichsstudien konsistent: Mädchen lernen schneller und besser lesen, und auch wenn die Jungen in der Sekundarstufe aufholen, so erreichen sie den Stand der Mädchen auch im Jugendalter noch nicht. Anhand der 2001 durchgeführten Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) wird untersucht, ob der Vorsprung der Mädchen im Leseverständnis schon in der Grundschule angelegt ist. Anhand differenzieller Item Analysen wird der Frage nachgegangen, ob sich auch bei einzelnen Fragen systematische Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen nachweisen lassen. Anhand der Analysen kann gezeigt werden, dass geringe Geschlechtsdifferenzen bezüglich des Frageformats (offenes Antwortformat vs. Multiple Choice) und den Leseleistungen bei literarischen und Informationstexten bestehen. Bei Betrachtung der in IGLU getesteten Verstehensaspekte ergeben sich keine Differenzen zwischen Jungen und Mädchen. Hingegen ist bezüglich der Aufgabenschwierigkeiten ein Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Lösungshäufigkeiten festzustellen, was ältere Befunde stützt, die gezeigt haben, dass Mädchen routinierter lesen. Als mögliche Konsequenz dieser Untersuchung könnte die Anregung gegeben werden, im Unterricht vermehrt Leseanreize zu geben, welche Jungen eher ansprechen, um sie so zum vermehrten Lesen zu führen. In späteren Untersuchungen wäre dann zu klären, ob die Jungen so mehr Sicherheit bei routinierten Leseaufgaben erreichen könnten und ggf. zu dem von Mädchen gezeigten Niveau des Leseverständnisses aufschließen könnten.
Over the last few years research has particularly concerned itself with gender differences between competencies in mathematics and natural sciences, whilst differences in reading comprehension have had little attention. At the same time, national and international evidence from large scale school comparisons has shown consistently that girls learn to read faster and better. Even when boys catch up at secondary level, they do not reach the girl' standard in their teens. On the basis of the international reading study IGLU carried out in 2001, this contribution will ask whether the girl' head-start can already be observed at primary school level. Using differential item-analysis, the question of whether answers to individual questions show systematic differences will be investigated. The analysis shows only small gender differences regarding question format (open questions vs. multiple choice) and reading performance for literary and informational texts. Also, no differences between boys and girls can be found in the aspects of comprehension tested for in the IGLU-study. However, there is a connection between the level of task difficulty and the frequency of solving tasks by gender, which supports previous evidence that girls read more proficiently. A possible consequence of this study could be the using of reading incentives in class, which are particularly aimed at boys, to encourage their reading. Further studies would have to investigate whether boys achieve an improved confidence in tasks calling for reading proficiency and are therefore able to reach the standards of reading comprehension set by the girls.
Enthalten in:
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft; 2004/2
(2004)
Serie / Reihe: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft
Personen: Schwippert, Knut Bos, Wilfried Lankes, Eva-Maria
Schwippert, Knut:
Lesen Mädchen anders? : Vertiefende Analysen zu Geschlechtsdifferenzen auf Basis der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU / Knut Schwippert, Wilfried Bos & Eva-Maria Lankes, 2004. - S.219-234 - (Zeitschrift für Erziehungswissenschaft)
Zeitschriftenaufsatz