In diesem Bericht aus dem Bremer Projekt "Kinder auf dem Weg zur Schrift" werden die Voraussetzungen eines erfolgreichen Schrifterwerbs unter Rückgriff auf empirische Untersuchungen aus verschiedenen Ländern diskutiert. Schwierigkeiten beim Schrifterwerb lassen sich danach nicht auf einen bestimmten Bereich eingrenzen. Weder sinnesspezifische Funktionsstörungen noch allgemeine intellektuelle Operationen oder die Entwicklung der gesprochenen Sprache können die Streuung der Lese- und Rechtschreibleistungen nach dem 1. bzw. 2. Schuljahr befriedigend über die Gesamtgruppe hinweg erklären. Es gibt alternative Ursachen für jeweils unterschiedlich ausgeprägte Lese-/Rechtschreibschwächen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den konkreten Erfahrungen mit Schrift zu, die Kinder vor und neben der Schule sammeln. Über einzelne Kenntnisse und Fertigkeiten wie Buchstaben- oder Wortkenntnis hinaus sind die gedanklichen Vorstellungen der Kinder über die soziale Funktion und über den technischen Aufbau der Schrift wichtig. Diese kindlichen Konzepte sind zwar naiv, aber nicht willkürlich, sondern in sich geordnet und heften, auf dem jeweiligen Entwicklungsstand subjektiv sinnvoll mit Schrift umzugehen. Einheitsfibeln, durch die alle Schulanfänger einer Klasse sozusagen im Gleichschritt marschieren müssen, werden dieser Situation nicht gerecht. Mehr noch: Lesen- und Schreibenlernen läßt sich nicht als passives Abspeichern von stückweise verabreichten Wissensbausteinen und als Addition isolierter Teilleistungen erklären; das Kind ist auf persönlich bedeutsame Erfahrungen aus dem aktiven Umgang mit Schrift angewiesen, um seine individuellen Vorstellungen fortentwickeln zu können.
Enthalten in:
Zeitschrift für Pädagogik; 1984/1
(1984)
Weiterführende Informationen
Serie / Reihe: Zeitschrift für Pädagogik
Personen: Brügelmann, Hans
Brügelmann, Hans:
Lesen- und Schreibenlernen als Denkentwicklung : Voraussetzungen eines erfolgreichen Schrifterwerbs / Hans Brügelmann, 1984. - S.69-91 - (Zeitschrift für Pädagogik)
Zeitschriftenaufsatz