In den Sozialwissenschaften herrscht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass die Demokratie ein Produkt der Moderne ist: Sobald eine Gesellschaft sich auf den Modernisierungspfad begibt, besonders in Sachen Ökonomie, gilt der demokratische Übergang über kurz oder lang als unausweichlich. Je mehr die gesellschaftliche Komplexität zunimmt, desto höher sind die Anforderungen an die Steuerungskapazitäten des Staates. Aus diesem Grund werden autoritäre Entwicklungsdiktaturen langfristig durch liberale Demokratien ersetzt. Die Frage, welche kausalen Ursachen und Mechanismen hinter dem Zusammenhang zwischen Modernisierung und Demokratisierung stehen, ist bislang aber nicht hinreichend beantwortet worden. Während die meisten Erklärungsangebote an funktionalistische Konzepte anknüpfen, nähert sich der vorliegende Artikel diesem Thema aus konstitutionstheoretischer Perspektive. Die Argumentation erfolgt dabei in vier Schritten: Im ersten Schritt werden die Beiträge Parsons? und Luhmanns zur Erklärung von Demokratisierungsprozessen diskutiert. Im zweiten Schritt folgt ein Überblick über neuere nicht-funktionalistische Ansätze in der Theorie sozialer Differenzierung. Daran anknüpfend wird im dritten Schritt der Zusammenhang zwischen Modernisierung und Demokratisierung am Fallbeispiel Südkoreas (1979-1987) untersucht. Die empirische Analyse erstreckt sich dabei auf soziale Ungleichheitsstrukturen in den Teilsystemen, die Träger und Motive prodemokratischer Proteste und das zeitliche Verlaufsmuster der Auseinandersetzungen zwischen der Demokratiebewegung und dem autoritären Regime. Im vierten Schritt wird das Erklärungspotenzial nicht-funktionalistischer Differenzierungstheorien für die Analyse von Demokratisierungsprozessen diskutiert.
Most social scientists agree that democracy is essentially a product of modernity: As soon as a society follows the path of modernization, especially by implementing economic reforms, a democratic transition seems inevitable. As the complexity of society increases, the demands on the governmental performance of the state rise. Accordingly, authoritarian developmental regimes will be replaced in the long term by liberal democracies. But the causes and mechanisms between modernization and democratization are still unclear. While most studies are based on functionalist concepts, this article explores the subject from a constitution theoretical perspective. The argument is developed in four steps: In the first step, I will discuss the contributions of Parsons and Luhmann to the explanation of democratization processes. In the second step, I will give an overview of recent non-functionalist concepts for the analysis of differentiation processes. In the third step, these concepts are used in order to investigate the relation between modernization and democratization on the case of South Korea (1979-1987). This empirical study focuses on structures of inequality in the social subsystems, the carriers and motives of pro-democratic protests, and finally the temporal patterns of interaction between the South Korean democratization movement and the authoritarian regime. In the fourth step, the explanatory potential of non-functional differentiation theories for the analysis of democratization processes will be discussed.
Enthalten in:
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; 2007/1
(2007)
Serie / Reihe: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
Personen: Kern, Thomas
Kern, Thomas:
Modernisierung und Demokratisierung : das Erklärungspotenzial neuerer differenzierungstheoretischer Ansätze / Thomas Kern, 2007. - S.30-58 : graph. Darst. - (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie)
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