Die Debatten über die religiöse Entwicklung Europas haben in den letzten Jahren mehr und mehr die kontroversen theoretischen Positionen der dominierenden drei Ansätze der aktuellen Religionssoziologie erkennen lassen. Sie prognostizieren unterschiedliche Szenarien für die Entwicklung von Religiosität und Kirchlichkeit im geeinten Europa, wobei häufig die Gültigkeit der traditional bedeutsamen Säkularisierungstheorie in Frage gestellt wird. Im vorliegenden Beitrag wird eine hauptsächlich auf der Makroebene angelegte quantitative empirische Analyse der Entwicklung religiöser Vitalität im europäischen Vergleich seit 1990 vorgenommen, die auf einer breiten Zusammenstellung von verfügbaren Umfragedaten beruht. Die Ergebnisse geben Anlass zu der Vermutung, dass die Säkularisierungstheorie nicht vorschnell zu verwerfen ist, aber eine deutliche Kontextualisierung benötigt, um weiterhin als Erklärungsmodell religiöser Vitalität gelten zu können. Insbesondere die kulturhistorische Prägung durch die dominanten Religionen, die politischen Rahmenbedingungen oder Folgen politischer Repression sowie Prozesse der Identitätsbildung spielen eine wichtige Rolle. Unter Einbezug dieser Faktoren ist es möglich, die bestehenden Differenzen religiöser Vitalität in Europa in großem umfang erklären zu können. Besonders interessant ist die Feststellung konfligierender Wirkungen der genannten Rahmenbedingungen in Osteuropa, welche sich teilweise in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben.
The debates of the religious development in the last decades have uncovered the differences of the current theories of the sociology of religion. Most of them point out different explanations of the developments of religiosity and involvement in church in the unified Europe, often combined with a critique of the traditional dominant secularization theory. In the article on the hand, a quantitative analysis of the religious vitality in Europe, focused mainly on the macro-level, using a combination of a wide range of survey data, will be conducted. The results lead to the assumption, that the secularization theory should not be rejected too fast. But its general assumptions have to be framed in cultural context, to be useful for a continuing explanation of religious vitality in Europe. The cultural-historical influence of dominant religions, the political framework or results of political repression and processes of identity formation play important roles. Including these factors, it seems to be possible, to explain the differences in religious vitality in Europe. Especially, the conflicting effects of the framework of Eastern European religion are from special interest.
Enthalten in:
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; 2010/2
(2010)
Serie / Reihe: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
Personen: Pickel, Gert
Pickel, Gert:
Säkularisierung, Individualisierung oder Marktmodell? : Religiosität und ihre Erklärungsfaktoren im europäischen Vergleich / Gert Pickel, 2010. - S.219-245 : Tab. - (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie)
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