Rieger-Ladich, Markus
Neu Singularisierung oder Universalisierung? Theodor W. Adorno und Max Horkheimer über "Erziehung nach Auschwitz"
Zeitschriftenaufsatz

Theodor W. Adornos Rundfunkvortrag über "Erziehung nach Auschwitz" ist nicht allein in der Erziehungswissenschaft auf große Resonanz gestoßen; er galt lange Zeit auch als ein zentraler Beitrag der Kritischen Theorie zur Debatte um Erinnerungskultur. Wir erläutern zunächst dessen Rezeption innerhalb der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft und kontrastieren ihn dann mit Überlegungen Max Horkheimers. Dieser wählte einen anderen Zugriff als Adorno. Statt die Schuldfrage und die Singularität des Holocaust ins Zentrum zu rücken, skizzierte Horkheimer eine historisch-politische Bildung und warb dafür, die nationalsozialistischen Gräueltaten als Teil einer globalen Gewaltgeschichte zu begreifen. Diese Beiträge, die meist an entlegenen Orten publiziert wurden, haben innerhalb der Erziehungswissenschaft noch nicht jene Würdigung erfahren, die ihnen gebührt. Das ist auch deshalb misslich, weil Horkheimers Werben für historische Urteilsbildung im Modus des Vergleichs bereits viele Fragen aufwarf, die aktuell in der Debatte um eine pluralistische Erinnerungskultur diskutiert werden.
Theodor W. Adorno's radio lecture on 'Education after Auschwitz' was not only met with a great response in educational science; for a long time, it was also considered a central contribution of Critical Theory to the debate on the culture of remembrance. In this article, we first explain its reception within German-language educational science and then contrast it with Max Horkheimer's reflections. The latter chose a different approach to Adorno. Instead of focusing on the question of guilt and the singularity of the Holocaust, Horkheimer outlines a historical-political education and advocates understanding the National Socialist atrocities as part of a global history of violence. These contributions, which were mostly published in remote locations, have not yet received the recognition they deserve within German-language educational science. This is unfortunate, because Horkheimer's promotion of historical judgement in the mode of comparison raised many questions that are currently being discussed in the debate on a pluralistic culture of remembrance.

Enthalten in:
Zeitschrift für Pädagogik; 2024/4 (2024)


Serie / Reihe: Zeitschrift für Pädagogik

Personen: Rieger-Ladich, Markus Yamana, Jun

Schlagwörter: Schuld Holocaust Erinnerungskultur Erziehungswissenschaft Kritische Theorie Erziehung nach Auschwitz Horkheimer, Max

Rieger-Ladich, Markus:
Singularisierung oder Universalisierung? : Theodor W. Adorno und Max Horkheimer über "Erziehung nach Auschwitz" / Markus Rieger-Ladich / Jun Yamana, 2024. - Seite 458-469 - (Zeitschrift für Pädagogik) "Erziehung nach Auschwitz" im Kontext transnationaler Erinnerung

Zugangsnummer: U-0433619
Zeitschriftenaufsatz