Trotz der Einführung der Bildungsstandards für Schulen in Deutschland zeigen Studien, dass auch Studentinnen und Studenten noch erhebliche Schwierigkeiten beim mathematischen Begründen haben. Mathematisches Argumentieren ist jedoch eine Kernkompetenz, die vor allem in mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen eine bedeutende Rolle spielt. Zur systematischen Förderung von Kompetenzen sind Modelle notwendig, die empirisch belegt sind. Da mathematisches Begründen eine komplexe Tätigkeit ist, die insbesondere in der Sekundarstufe II und im tertiären Bildungsbereich - also genau am Übergang Schule-Hochschule - viele verschiedene Fähigkeiten voraussetzt, müssen kleine Schritte unternommen werden, um zunächst einzelne Aspekte mathematischer Argumentationskompetenz zu identifizieren. Diese Vorgehensweise kann eine erste Annäherung an künftige Kompetenzmodelle für das mathematische Begründen in der Studieneingangsphase sein. Als Grundlage zur Identifizierung von solchen Aspekten dienen Ergebnisse einer querschnittlichen empirischen Studie, bei der 439 Studienanfängerinnen und -anfänger der Ingenieurwissenschaften im Rahmen eines mathematischen Vorkurses teilnahmen. Dabei wurden die folgenden vier Fragen untersucht: (1) Wie ist die Qualität von Argumentationen, die Studierende verwenden? (2) Welche Art von Argumenten wird beim Begründen herangezogen? (3) Welche Hilfsmittel werden von Studierenden verwendet, die korrekt argumentieren und so zu vollständigen Beweisen kommen? (4) Welche Rolle spielen die Inhalte der Argumentationsaufgabe? Die Ergebnisse zeigen einen erheblichen Einfluss des Inhalts der Argumentationsaufgaben, insbesondere einen differentiellen Effekt vor allem in Abhängigkeit davon, ob der Inhalt anschaulich oder abstrakt ist. Weiter wird deutlich, dass Routineprozeduren immer noch häufig eingesetzt werden; möglicherweise ein Hinweis darauf, dass die Einübung solcher Routinen im Schulunterricht immer noch dominiert. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Qualität mathematischer Argumentationen vom Abstraktionsgrad der Inhalte sowie der Möglichkeit, prozedurale Verfahrensweisen anzuwenden, abhängig ist. Kompetenzmodelle des mathematischen Argumentierens im tertiären Bildungsabschnitt sollten daher diese Faktoren berücksichtigen.
Several studies show that university students in Germany still have problems in reasoning mathematically although this already should be fostered at high school since the implementation of standards for school mathematics. Mathematical argumentation is a core competence and highly important, especially in academic mathematics. To foster mathematical argumentation at the beginning of university studies, competence models are needed which give more detailed insights in the skills that are necessary for reasoning. As mathematical argumentation is a complex process, especially at the higher secondary level or at university, many little steps are needed to complete a competence model for argumentation at the secondary-tertiary transition gradually. A possible step can be to initially identify several aspects of mathematical argumentation competence that influence the reasoning quality. The empirical basis for identifying those aspects is a cross-sectional study with 439 engineering students who participate in a transition course in mathematics. We address the following questions: (1) how is the quality of student's reasoning? (2) Which kind of arguments do students use? (3) What resources do students who reasoned correctly use for solving the problems? (4) Does the content of the tasks play an important role? The results show a great influence of the content on the reasoning quality, especially if the content is abstract or concrete. Argumentation quality of students decreases with an increasing level of abstraction of the content. Furthermore, the results reveal that students often use routines for solving the problems. That indicates that procedural approaches still play an important role in school mathematics. If procedures could be used for solving the tasks, students are more successful. Competence models for mathematical argumentation at the beginning of the tertiary level should, therefore, include these factors.
Enthalten in:
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft; 2016/2
(2016)
Serie / Reihe: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft
Personen: Nagel, Kathrin Reiss, Kristina
Nagel, Kathrin:
Zwischen Schule und Universität: Argumentation in der Mathematik / Kathrin Nagel ; Kristina Reiss, 2016. - S.299-327 : graph. Darst., Tab. - (Zeitschrift für Erziehungswissenschaft) Stand, Herausforderungen und Perspektiven der empirischen Kompetenzforschung im Hochschulsektor
Zeitschriftenaufsatz