Die Auseinandersetzung um die rituelle, medizinisch nicht begründete Genitalbeschneidung kleiner, nicht einwilligungsfähiger Jungen findet in Deutschland besonders seit dem Urteil des Kölner Landgerichts vom Mai 2012 im Spannungsfeld der Grundrechte auf Religionsfreiheit und dem Recht körperlicher Unversehrtheit statt. Die Heftigkeit der Debatte lässt auf tiefgreifende Ängste und Konflikte schließen. Ein demokratisch geregelter und wissenschaftlich fundierter Diskurs über kinder- und körperverletzende Rituale ist weiterhin nötig. Es ist zu bezweifeln, ob es noch angemessen ist, kleinen Jungen zur Absicherung der gruppalen bzw. religiösen Identität von Erwachsenen Schmerzen und Ängste zuzufügen, sie erheblichen Gesundheitsrisiken und irreversibler körperlicher Verletzung der Intimzone auszusetzen. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass auch kleine Kinder Schmerzen fühlen, und es ist bekannt, dass Gewalt und Schmerzzufügung die Entwicklung von Kindern schädigt.
Die Autorinnen und Autoren sind mit dieser Situation unzufrieden und äußern sich kritisch zur Praxis der rituellen Jungenbeschneidung. Betroffene, Fachleute, Ärzte, Juristen, Psychoanalytiker und Politiker engagieren sich in den Beiträgen des Buches dafür, den Kinderschutzgedanken und die Bedürfnisse der betroffenen Jungen weitergehend zu berücksichtigen, als das bisher geschieht. Sie werben dafür, sich in dieser Angelegenheit eindeutig auf der Seite des Kindes zu positionieren, die Debatte auf wissenschaftlicher und rechtlicher Grundlage zu führen und Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie, der Hirn- und Präventionsforschung stärker im Sinne des Kinderschutzes zu berücksichtigen.
Weiterführende Informationen
Personen: Franz, Matthias (Hrsg.)
C 50
Besch
¬Die¬ Beschneidung von Jungen : ein trauriges Vermächtnis / Matthias Franz (Hg.). - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2014. - 448 S. : Ill.
ISBN 978-3-525-40455-3
Ethik - Buch