Ein Straßenkind erzählt seinem Tod entgegen und hinterlässt Geheimnisse und Vermächtnisse. (DR) Die Assoziationen zum Autor waren bisher eindeutig - Schwede, Autor von Kriminalromanen rund um Kommissar Wallander, heimisch auf Bestsellerlisten; Insider flüsterten noch "Afrika, Mozambique", dort leitet Mankell das Theater in Maputo. In seinem neuen Roman spielt das Theater eine zentrale Rolle, ein Theater allerdings, das von der Bäckerei erhalten und von einer beinahe 90-Jährigen geleitet und dirigiert wird. Der gesamte Spielplan ist irrwitzig, getrieben vom Elan der scheinbar Unsterblichen und Unermüdlichen: rührig sowohl in der Bäckerei wie auf den Brettern, die auch hier eine eigene Welt bedeuten. Nelio, der Straßenjunge, liegt dort schwer verletzt und wird von einem, der seit seinem sechsten Lebensjahr an als Bäcker arbeitete, gefunden und auf das Dach des Theaters gelegt. Nelio weiß, dass er sterben wird, er beginnt in den Nächten zu erzählen und erhebt seinen Wohltäter zum Chronisten. Nelio erinnert gelegentlich an den Kleinen Prinzen; seine eindringliche Botschaft, den Straßen- und Waisenkindern zu helfen, kleidet er in fesselnde Geschichten. Nelio liegt neun Tage und Nächte im Sterben: er hat sein Vermächtnis in gute Bäckerhände gelegt; sein Zuhörer gibt seinen Beruf auf, erzählt die Geschichten weiter und spürt ihre Wirkung. Der Zauber des Theaterspielens, der Zauber des Erzählens, der Reiz der bizarren Gestalten der Revolutionäre und Ja-Sager, bilden die Kontraste zu Gewalt, Mord, Armut und Verwahrlosung: hier das Feuer der Gewehre, dort die Munition der Fantasie und Vision. Ein sehr empfehlenswerter Roman für alle Bibliotheken, auch für Schulbibliotheken.
Personen: Mankell, Henning
Manke
Mankell, Henning:
¬Der¬ Chronist der Winde : Roman / Henning Mankell. - Wien : Zsolnay, 2000. - 268 S. - Aus dem Schwed. von Verena Reichel
ISBN 978-3-552-04981-9 fest geb. : DM 36,00
Schöne Literatur - Buch