Dass Klischees nicht umzubringen sind, liegt daran, dass sie – wohl eingesetzt und lakonisch vorgebracht – helfen, Essenz und Humor einer Situation zu beschreiben. Alina Bronsky spielt damit in ihrem Jugendroman, in dem sie die 14-jährige Ich-Erzählerin eine Buch-im-Buch-Geschichte durchlaufen lässt. Gleich im ersten Kapitel wird kein Stereotyp ausgelassen. Die Erzählerin heißt Kim Josephine, als ob sie einer Reality-TV-Show entsprungen wäre, ihre Freundin nennt sich Petrowna, was als Vorname durchgeht, weil sie ohnehin nicht damit rechnet, „dass sich hier jemand mit so was auskennt“. Die Lehrerin heißt Frau Meier und „hat Angst vor uns“. Zugespitzt wird auch die Bibliothekslesung geschildert, zu der sie die Klasse ordert: Die Bücherei ist verstaubt, die Bibliothekarin hat mausgraue Haare mit Violettstich, die Autorin sieht unglücklich aus und nuschelt. Die Buchhändlerin trägt Holzperlen, Knoten und Pantoffel und weiß: „Ihr seid in einem schwierigen Lesealter“. Dennoch dienen Lesung und Buch als Auslöser der Geschichte: Kim Jospehine erkennt sich in der Hauptfigur wieder und ist überzeugt, dass ihr eigenes Leben erzählt wird und Ereignisse vorweggenommen werden. Wie in ihrem Fall sind die Eltern im Buch geschieden, die Mutter hat Essstörungen, der Vater eine Freundin und ein Baby ist auf dem Weg. Damit nicht genug: Ein Schulkollege verliebt sich in die Protagonistin und nimmt kein gutes Ende. Dass dies auch in ihrem Leben passiert, will Kim Josephine verhindern. Die kluge, tatkräftige Petrowna hilft ihr dabei. Ein witziges Gedankenexperiment, das manchmal ins allzu Absurde abdriftet, aber gut unterhält. Wie nebenbei wird auf unter 200 Seiten das Alltagsleben der Jugendlichen zwischen Familie und Freundschaften kondensiert. Auf der Metaebene wird augenzwinkernd auf den nüchternen Autorinnenalltag geblickt, es wird erzählt, wie eine Nichtleserin mit dem Smartphone in der Hand zur Leserin wird und wie eine begabte Jugendliche, die wegen ihres Migrationshintergrunds Vorurteilen ausgesetzt ist, das Schreiben für sich entdeckt. Klischees werden nicht nur aufgeworfen, sondern gebrochen – nur so funktionieren sie und so funktioniert auch dieser schräge Roman.
Personen: Bronsky, Alina
J
Brons
Bronsky, Alina:
Und du kommst auch drin vor : Roman / Alina Bronsky. - Orig.-Ausg. - München : dtv, 2017. - 189 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-423-76181-9 fest geb.
Jugendbücher (ab 13 Jahre) - Buch