Als die jüdische Familie Stock 1942 die Aufforderung zur Deportation in den Osten erhält, übergibt Jenny Stock ihren Mantel dem Dorfschneider zur Aufbewahrung. Dieser nimmt seine Aufgabe sehr ernst: Im Gedenken an die ermordeten jüdischen Besitzer wird der Mantel über Generationen hinweg wie eine Kostbarkeit gehütet. Ausgehend von dieser Anekdote entwirft Brigitte Jünger einen Jugendroman, der mehrere Generationen umfasst: Im Paris der Gegenwart verbringt der über 90-jährige Aron Schatz seinen Lebensabend. Er selbst hat Auschwitz überlebt, doch böse Erinnerungen bedrängen ihn. Die 14-jährige Fanette kümmert sich um den alten Nachbarn wie um den eigenen Großvater. Ein Aufenthalt im Nachbarland gibt ihr die Möglichkeit, als Detektivin die Vergangenheit ihres Freundes zu erforschen. „Der Mantel“ der ermordeten Jüdin hat zwar eine starke Symbolkraft, aber er eignet sich kaum für eine fesselnde Geschichte, zumal die Gegenwart der jungen Fanette recht ereignislos erzählt wird und zwischen Eis essen, Streitereien mit der Mama und Small-Talk mit der deutschen Gastfamilie dahinplätschert. In zahlreichen Stimmen kommen zwar die Träume und Erfahrungen der ermordeten Juden und der Dorfbewohner zur Sprache, aber die Geschichte zerfällt in über 60 kurze Kapitel und dabei kommt nur wenig Atmosphäre auf. Eher wird das tragische Geschehen in belehrenden Exkursen zerredet: „Was ist in Deutschland damals passiert?“ „Welche Schuld tragen die Religionen am Antisemitismus?“ Leider sind auch die Figuren nicht sonderlich stimmig gezeichnet: Während in der Pariser Banlieue Araber von der Polizei erschossen werden, wundert sich die 14-Jährige, dass auf der Kölner Domplatte „merkwürdige Jugendliche mit Bierflaschen in der Hand“ herumsitzen. Und dass die ansonsten kluge Fantine noch nie irgendetwas über das Schicksal der Juden gehört hat, sondern nur quälend langsam ein „dunkles Geheimnis am Grunde dieser Geschichte“ zu ahnen beginnt, fördert auch nicht gerade die Glaubwürdigkeit des Ganzen.

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Personen: Jünger, Brigitte

Schlagwörter: Antisemitismus Deportation Juden