Im christlich geprägten europäischen Mittelalter waren Geld und Geldverleih sowohl Triebkraft für den Bau riesiger Kathedralen zur Ehre Gottes als auch diabolische Verführung. (GW) Geldwirtschaft, wie wir sie kennen, ist recht neu. Der Doyen der französischen Mittelalterforschung, Jacques Le Goff, zeigt detailreich und komplex, wie sich Geldwirtschaft und Gesellschaft im Laufe des Mittelalters (etwa 500 bis 1500) entwickelten. Im Zuge der Völkerwanderung wurde das antike Geldsystem vom Tauschhandel abgelöst; die Kirche verdammte die Geldnutzung; die Münzprägung war fast verschwunden. Erst mit dem Handel und der Entstehung der Städte wuchs der Bedarf an Münzgeld, so dass bis zum Hochmittelalter (13. Jh.) Geldgebrauch und Geldumlauf in fast alle Gesellschaftsschichten vorgedrungen waren. Die Theologie passte sich nach und nach den neuen Entwicklungen an. Die Verbreitung des Geldes ermöglichte Fernhandel, Kreuzzüge und Pilgerreisen, schließlich auch den Bau von Städten und Kathedralen, hatte aber einen beträchtlichen Anstieg der Verschuldung - auch von Einzelpersonen - zur Folge. Als Beispiel werden auch Kleinbauern genannt, die ihre Abgaben nun nicht mehr nur in Gütern, sondern auch in barer Münze zu entrichten hatten und die somit den Geldverleihern ausgeliefert waren. Eine Neubewertung der menschlichen Arbeit war die Folge. Sowohl die bedingungslose Armenbewegung des Ordensgründers Franz von Assisi als auch das mildtätige Tun des reichen Händlers und Heiligen Homobonus von Cremona finden schließlich Anerkennung durch Kirche und Gesellschaft. Der Autor beschränkt sich auf die Welt des lateinischen Christentums, also das westliche Europa, konzentriert sich dabei vor allem auf Frankreich und zitiert in seinem durchwegs lesenswerten und flüssig geschriebenen Werk eine Überfülle von Quellen, auch solche, die dem historischen Laien wahrscheinlich unbekannt sind. Die zahlreichen Exkurse zu Theorien anderer Wissenschaftler lenken leider vom Erzählfluss ab. Womöglich hätten einige Kürzungen dem äußerst informativen Buch auf dem Weg vom Vorlesungsskriptum zum populären Sachbuch gutgetan. *bn* Wolfgang Moser

Personen: Le Goff, Jacques Gutberlet, Caroline