Kluge, unsentimentale und gleichzeitig berührende "Spätsätze" eines weisen alten Mannes. (DD) Kurt Marti, der streitbare reformierte Pfarrer und Schriftsteller, ist am 31. Jänner 2011 neunzig Jahre alt geworden. Seine "Spätsätze" kreisen um Vergänglichkeit, Verlust, Glauben und Liebe. Dass das Alter mühsam ist, der Verlust der Partnerin nicht kompensiert werden kann, davon spricht Marti offen: "Vergeistigung im Alter? Nicht doch. Die Beschäftigung mit dem Körper, vor allem mit seinen Defiziten nimmt unliebsam überhand." Zum Leben als Witwer: "Seitdem die täglich und nächtlich vertraute Zwiesprache aufgehört hat, schwinden mein Wortschatz und mein Ausdrucksvermögen. Gibt es taugliche Witwer? Ich jedenfalls bin keiner." Der Glaube ist für Marti weniger Gewissheit, mehr Liebe und Vertrauen. Über das Leben nach dem Tod sollte man sich seiner Meinung nach auch nicht allzu viele Gedanken machen, das hält er für ein Stehenbleiben in der Egozentrik. Er möchte sich lieber von Gott überraschen lassen: "Kurz vor ihrem frühen Tod sagte die heilige Therese von Lisieux (1973-1897): 'Ich glaube nicht mehr an das ewige Leben, alles ist verschwunden, es bleibt nur noch die Liebe.'" Die "Spätsätze" sind aphoristische Sprengsel aus einem langen, bewusst gestalteten Leben, geprägt von einer unprätentiösen Altersweisheit, fernab jeglicher Besserwisserei, durchweht von einem zarten Loslassen. Das schmale Bändchen ist der Hartnäckigkeit des Verlegers zu verdanken, der die handgeschriebenen Notizen des Autors unbedingt herausbringen wollte - Glück für alle Leserinnen und Leser, die dadurch ermutigt werden - aller Vergänglichkeit zum Trotz. *bn* Ingrid Kainzner

Personen: Marti, Kurt