Politisches Zeitbild des Banats verwoben in eine außergewöhnliche Familiengeschichte, die letztlich darlegt, wie Liebe das Überleben sichert. (DR) Erst im dritten Kapitel begegnen wir dem Ich-Erzähler Jacob Obertin, als er vor den russischen Soldaten ins Reich der Toten, in sein Geheimversteck, eine Gruft, flüchtet. Man schreibt den 14. Januar 1945 und die Soldaten treiben unbarmherzig die in dem im Banat gelegenen Dorf Triebswetter ansässigen jungen Deutschen in Viehwaggons zusammen. Ihr Ziel: Sibirien. Um sich von dieser Situation abzulenken, begibt sich der schmächtige 18-Jährige auf die Spuren seiner Kindheit: Von seinen zwei wundersamen Geburten ist da die Rede, von der distanzierten Mutter, dem unberechenbaren, gewalttätigen Vater und von der ein wenig furchteinflößenden Zigeunerin Ramina, die er vergöttert und die ihm, kränklich wie er ist, mit ihrer Heilkraft mehr als einmal das Leben rettet. Vor allem aber ist es seine zarte Liebe zu dem Serbenmädchen Katica, die Jacob die Wartezeit in seinem kalten Versteck überstehen lässt. In großem Bogen erzählt Catalin Dorian Florescu die wechselvolle Geschichte der Bevölkerung des Banats: Florescu lässt die Kapitel auf unterschiedlichen Zeitebenen spielen und fügt so eine Familienchronik zusammen, die von historischen Umbrüchen, von Kriegen und Katastrophen, von Hunger, Armut und Vertreibung geprägt ist. Ende des 18. Jahrhunderts machen sich Jacobs Vorfahren aus Lothringen auf zu einer abenteuerlichen und beschwerlichen Reise und es ist sein rühmlicher Ahn Frederick Obertin, der das Dorf Triebswetter gründet. "Jacob beschließt zu lieben" ist aber auch die Geschichte einer schmerzlichen Vater-Sohn-Beziehung, die bestimmt ist von Gewalt, Ablehnung und Verrat. Am Ende schließt sich der Kreis in dieser großen Familiensaga und Jacob zeigt, dass er ein wahrer Obertin ist. Nicht immer wirkt hier alles in sich rund, zu Beginn werden manche Passagen holprig aneinandergefügt, hier hätte dem Text ein strengeres Lektorat gutgetan. Florescus einzigartige Erzählstimme nimmt einen jedoch so sehr in Bann, das man schnell über diese Schwächen hinwegsieht und gerne in dieses atmosphärisch dichte Familienepos eintaucht. Skurrile Begebenheiten, ungewöhnliche Vergleiche und Florescus Fabulierlust und -kunst sorgen für höchsten Lesegenuss. Allen Büchereien sehr zu empfehlen! *bn* Cornelia Gstöttinger
Personen: Florescu, Catalin Dorian
Florescu, Catalin Dorian:
Jacob beschließt zu lieben : Roman / Catalin Dorian Florescu. - München : C.H. Beck, 2011. - 402 S.
ISBN 978-3-406-61267-1 fest geb. : ca. ? 20,60
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Flore - Buch