Sprachlich faszinierendes Porträt einer misshandelten Frau. Den Blauschmuck tragen die Frauen des kurdischen Dorfes in der Türkei am Hals, im Gesicht, an den Beinen. Je nachdem, wohin sie der Ehemann, der Vater, der Bruder geschlagen hat. Er ist Initiationszeichen, er macht sie zugehörig, zeigt Besitz an. Die österreichische Autorin erzählt in ihrem Debütroman die Geschichte einer ihr bekannten Migrantin. Die Geschichte von Filiz geht gut aus, andernfalls, so Katharina Winkler im Ö1-Interview, hätte sie sie nicht aufschreiben wollen. Sie beginnt in einem kurdischen Dorf, wo Filiz - anders als man bei dieser Thematik erwarten würde - zunächst heimlich ihre große Liebe heiratet und die beiden von einer gemeinsamen Zukunft in Blue Jeans in Deutschland träumen. Doch nach der Hochzeit ist alles wie immer: Filiz wird zum Besitz, sie wird geschlagen, sie trägt Burka, sie bekommt Kinder. Die Familie geht schließlich ins Ausland, aber Freiheit gibt es auch hier keine, bis die Behörden aufmerksam werden. Das Lesen fällt einem schwer, das Buch ist aufwühlend, macht wütend und lässt einen die Hilflosigkeit der Protagonistin heftig nachfühlen. Doch es stellt sich auch die Frage, ob man einem Einzelnen Schuld zuweisen kann, der in einer derartigen Gesellschaft groß wurde, wo der Mann eine Naturgewalt zu sein hat. Der doch eigentlich auch große Träume hatte und von Liebe sprach, aber von Kind an nur Gewalt vorgelebt bekam. Immer wieder rettet einen die wunderbare Sprache, in der die Erzählung gehalten ist, davor, das Buch entsetzt wegzulegen. Lyrisch, sehr orientalisch, dann wieder kurz und prägnant erzählt Winkler diese ergreifende Geschichte. Für alle Bestände, auch wegen des Österreich-Bezuges, sehr zu empfehlen.
Personen: Winkler, Katharina
DR.G Win
Winkler, Katharina:
Blauschmuck : Roman / Katharina Winkler. - Berlin : Suhrkamp, 2016. - 197 S.
ISBN 978-3-518-42510-7 Eur 19,50
DR.G - Belle-Buch