Eigentlich mag ich einen Autor nicht an einem anderen messen. Doch bei David Walliams geht das nicht anders: Man muss beim Lesen an die makabren Geschichten von Roald Dahl denken, der in Büchern wie äMatildaô oder äCharlie und die Schokoladenfabrikô grundböse Kinder und Erwachsene abstrafte und dabei auch nicht vor Mord und Totschlag zurückschreckte. Auch David Walliamsæ Humor ist definitiv very british. Bereits in äGangsta-Omaô hat uns der Autor und Comedy-Schauspieler (äLittle Britainô) mit knallharten Kriminellen konfrontiert. In äTerror-Tantchenô zeigt Walliams, dass dies nur eine Fingerübung in Sachen Verbrechen und Absurdität war: Titelfigur Alberta Saxby hat bereits ihre beiden Brüder und ihre Schwägerin umgebracht. Jetzt steht ihr nur noch die kleine Lady Stella Saxby im Weg. Erst wenn auch die tot ist, kann Alberta Vermögen und Familiensitz des Saxby-Clans erben. Hier beginnt die kammerspielartig anmutende Geschichte, die die Katz-und Maus-Jagd zwischen der mordlustigen Matrone und ihrer nur äußerlich fragilen Nichte in Szene setzt und sich dabei einer Mischung aus viktorianischem Schauerroman, Edgar-Wallace-Anleihen und fantastischer Erzählung bedient. Für den nötigen Witz sorgen der uralte, schusselige Butler Gibbon und ein hilfreicher Schlossgeist an Stellas Seite, der mit ganz irdischen Tricks die Pläne der sadistischen Tante durchkreuzt. Außerdem verleihen die vielen Illustrationen von Tony Ross den immerhin über 400 Seiten nicht nur Leichtigkeit, sondern sorgen auch für zusätzliche Komik. Im Hörbuch zur Geschichte besorgt das Mechthild Großmann, die uns mit markantem Vortrag die Bilder im Kopf liefert. Dank ihrer rauchigen Stimme ist sie die ideale Besetzung für den schaurig-schönen Kinderkrimi. Bestimmt löst das ungewöhnliche Kinderbuch aber nicht nur Begeisterung aus: Dürfen wir so etwas empfindsamen Kinderseelen zumuten? Werden die später nicht von den alptraumhaften Sequenzen wie Stellas Folter auf der Streckbank heimgesucht? Klar, kann passieren. Doch das ist auch nach dem Lesen der ebenfalls nicht zimperlichen Grimm´schen Märchen nicht auszuschließen. Und sind nicht die allgegenwärtigen bad news, denen Kinder im Medienzeitalter nicht mehr entkommen, viel schlimmer als die bloße Fiktion des Bösen? In beiden Fällen sind Eltern nötig, die mit Kindern angemessen über Terror in und außerhalb von Büchern reden und weniger solche, die sie aus falsch verstandener Fürsorge davor schützen wollen.
Serie / Reihe: ali
Personen: Ross, Tony Walliams, David Münch, Bettina
Walliams, David:
Terror-Tantchen / David Walliams. - Dt. Erstausg. - Reinbek : Rowohlt Taschenbuch-Verl., 2016. - 396 S. : Ill. - (ali)
ISBN 978-3-499-21741-8 fest geb. : ca. Eur 15,50
Erzählungen und Romane - Signatur: JE WAL - Kinder- und Jugendbücher