Arnold, David
Ganz schön kaputte Tage und wie Noah Oakman sie sieht
Buch

Ob man Noah Oakman „krankhaft zwanghaft“ oder „liebenswert-versponnen“ nennen will – für zweiteres plädiert er selbst –, ist nicht nur eine Frage der Perspektive. Sondern hängt auch davon ab, welche Art von Menschen und literarischen Figuren man mag. Dass der Ich-Erzähler ein wenig seltsam ist, lässt sich jedenfalls nicht leugnen: Der Junge trägt jeden Tag die gleichen Klamotten, sowohl von den marineblauen Hosen wie den weißen Shirts mit dem Konterfei David Bowies drauf hat er so viele im Kasten, dass er sie problemlos auf Dauer durchwechseln kann. Neben seiner Verehrung des Musikers – der Song „Changes“ ist wichtigster Teil des reich bestückten Soundtracks des Romans – hat Noah eine Vorliebe für den rechten Winkel und eine fiktive Schriftstellerin, die an Besessenheit grenzt, sowie ein vorgetäuschtes Rückenleiden. Andererseits verfügt er über eine liebevolle Familie und mit den Zwillingen Val und Alan verbindet ihn seit vielen Jahren eine enge Freundschaft. Was Noah unbestritten ist: ein nahezu klassischer Held des Adoleszenromans: Von den Weichen Richtung Zukunft, die am Ende der Highschool zu stellen sind, fühlt er sich überfordert, er weiß nicht, was er will, hat das Gefühl, die Flugbahn, auf die er katapultiert wurde, ist nicht die richtige: „?… mein Leben ist sozusagen ein alter Pulli, aus dem ich jetzt eben herausgewachsen bin.“ Dass der amerikanische Autor und Musiker David Arnold eigenwillige Figuren mag, hat er bereits mit „Auf und davon“ (Heyne 2015) und vor allem mit „Herzdenker“ (Arena 2018) gezeigt. In „Ganz schön kaputte Tage“ (im Original besser „The Strange Fascinations of Noah Hypnotik“) bestätigt sich diese Vorliebe. Dazu kommt ein dichtes Netz an musikalischen und literarischen Verweisen. Beispielhaft dafür ist etwa ein zentraler Dialog zwischen Noah und Alan, der eingeleitet wird durch einen Verweis auf eine Szene aus Jack Keruacs „Unterwegs“ und über die ganze Länge untermalt ist vom Film „Matrix“, der im Hintergrund auf dem Fernseher läuft und für das Gespräch relevant wird. Diese permanente Kontextualisierung setzt (populär)kulturell interessierte LeserInnen voraus, eine nicht gerade leichtfüßige Handlungsführung, zwischengeschaltete Textteile und eine üppige Gliederung in 100 bedeutungsvoll betitelte Kapitel fordern eine konzentrierte Lektüre. Aber die Anstrengung lohnt sich: Ist man einmal eingetaucht in diesen schrägen jugendlichen Kosmos, wird man mit interessanten Figuren, so klugen wie witzigen Dialogen und dem einen oder anderen schönen Gedanken zur Lage der Welt im Allgemeinen und ihrer Jugendlichen im Besonderen belohnt. Dazu kommt, dass durchwegs über das Schreiben und die Qualität von Geschichten reflektiert wird. Beides, so eine Quintessenz des Romans, ist tröstlich und dient auch der Selbstvergewisserung. Wenn es am Ende heißt, dass man manchmal erst dann weiß, wohin man will, wenn man angekommen ist, wird damit auch eine Grundkonstante der Adoleszenz formuliert: Bisweilen hilft kein Grübeln mehr, sondern nur – Losgehen. Auch wenn man noch kein konkretes Ziel vor Augen hat.


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Personen: Arnold, David

Arnold, David:
Ganz schön kaputte Tage und wie Noah Oakman sie sieht / David Arnold. Aus dem Amerikan. von Ulrich Thiele. - Würzburg : Arena, 2019. - 433 S.
ISBN 978-3-401-60392-6 fest geb. : ca. € 19,50

Zugangsnummer: 2020/0931
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: Arn - Buch