"Mann, Mann, Mann" - der alte Fitzke, wer hätte das gedacht! Der Mann, der das Schwundgrad war im ersten Band, der durch die Vertilgung der Fundnudel die Geschichte erst richtig in Gang brachte und Rico und Oskar zusammen, der immer wieder verlässlich für ein rohes "Du Schwachkopf!" gut war, ausgerechnet der liegt tot im Treppenhaus. Und ist - diesmal posthum - wieder schuld an allem, was folgt. An einem Begräbnis, das Ricos Mutter eher unpassend bekleidet besucht und das Oskar verpasst, an Steinen, die geklaut werden, obwohl - oder weil -Rico sie geerbt hat. Ausgerechnet! An jeder Menge Lügen und Intrigen, einer turbulenten Fahrt an die Ostsee und der dortigen Geburt einer Venus, an einem spannenden Showdown - und an ziemlich viel Vergnügen bei den LeserInnen. Der dritte und - wie es heißt - letzte Band der Abenteuer der beiden Freunde, des tiefbegabten Rico und des hochbegabten Oskar, ist erschienen und wieder ist dem Autor alles gelungen: Der Plot, der den großen Bogen trägt und bis zum Ende hält, die Struktur und Dramaturgie, die einerseits für eine ordentliche Geschwindigkeit sorgt, die beiden Helden gefährlich weit weg von der heimatlichen Dieffe 93 führt und sie auch heftig aneinanderprallen lässt. Und andererseits immer wieder in ruhigeren Phasen Reflexion etwa über Familie und Freundschaft zu- und auch in der Ferne bekannte Gesichter auftauchen lässt und damit die nötige Sicherheit vermittelt - bei den zwischenzeitlich elternlosen Helden wie jüngeren, ängstlicheren LeserInnen. Und wieder gibt es großartige komische Szenen, für die der Tagebuchschreiber Rico und der klugscheißende Oskar zusammen mit einem großartigen Ensemble an Nebenfiguren sorgen. Auch in der Ausgestaltung dieser Nebenfiguren und der kleinen zugespitzten Szenen, die ihnen auf den Leib geschrieben sind, offenbart sich die große erzählerische Kraft des Autors. Wie er sie im ersten Band stark typisiert eingeführt hat - die leicht vereinsamte, aber liebenswerte Frau Dahling, den eher kühlen Schwulen Kiesling, den alten Fiesling Fitzke oder Irina, die ganz und gar nicht auf das Maul gefallen ist und zupacken kann -, waren sie fast Karikaturen. Bald aber wurde klar, dass sie großes Potential haben, zutiefst Menschliches zugespitzt zeigen und letztendlich für die Vitalität der gesamten Roman-Szenerie sorgen. Deutlich wird das in der Hörbuchfassung, die Steinhöfel - wie schon bei den beiden ersten Teilen - wieder selbst eingelesen hat. Hat man sich - als Deutsch österreichischer Provenienz Sprechender - an die Geschwindigkeit des Vorlesers gewohnt, ist es ein großen Vergnügen, zu dessen Höhepunkten oftmals die Nebenfiguren führen: Das Gespräch zwischen Irina und Rico während der Autofahrt (Irina hat in jedem Band einen großen Auftritt!), die Szene mit der Familie, die Rico und Oskar im Zug unter ihre Fittiche nimmt (und später dann gröbere Probleme mit zu hohem Gras und zu pingeligen Nachbarn hat), die kleinen Scharmützel zwischen Kiesling und seinem neuen Freund - an all diesen Szenen merkt man, wie viel diese Figuren wert sind und wie viel auch dem Autor an ihnen liegt. Das Ende der Geschichte ist glücklich. Keine Frage, das muss so sein, aber die Größe des Glücks weist vielleicht auch darauf hin, dass die Geschichte um das Haus in der Dieffe 93 tatsächlich auserzählt ist. Aber das macht nichts. Wir haben seine BewohnerInnen fest ins Herz geschlossen. Und dort sitzt, wie es in der letzten Fremdworterklärung - ricordare - heißt, die Erinnerung.
Personen: Steinhöfel, Andreas
Steinhöfel, Andreas:
Rico, Oskar und der Diebstahlstein / Andreas Steinhöfel. Mit Bildern von Peter Schössow. - Hamburg : Carlsen, 2011. - 327 S. : Ill.
ISBN 978-3-551-55572-4 fest geb. : ca. € 13,30
Erzählungen ab 13 Jahre - Signatur: Ju 3 Ste - Buch