Ein Café am Wiener Karmelitenmarkt wird in der Nachkriegszeit zur Anlaufstelle für "verlorene Seelen".
Rezension
Der neue Roman von Robert Seethaler ist ein Wien-Roman par exellence und als solcher am besten vom Schluss her zu erzählen: Der Hilfsarbeiter Robert Simon betreibt das titelgebende Café ohne Namen zehn Jahre lang am Wiener Karmelitenmarkt, dessen Qualitäten nicht so sehr im kulinarischen als vielmehr im existenzialistischen Bereich liegen.
Es ist nichts weniger als eine Anlaufstelle für "verlorene Seelen", die sonst nirgendwo eine Heimat haben. Das Ende des Cafés ist so spektakulär wie sein Bestehen im Arbeitermilieu alltäglich war und fällt mit dem für die Wiener Stadtgeschichte einschneidenden Einsturz der Reichsbrücke 1976 zusammen. Dieses Ereignis markiert nicht nur das Ende der Nachkriegszeit, sondern zeigt auch, dass "es nun mit dem alten Österreich für immer und ewig vorbei sei", wie einer der Stammgäste des Cafés gegen Ende bemerkt. Mit dieser melancholischen Stimmung trifft Seethaler den aus der österreichischen Literatur bestens bekannten Grundton des Zuendegehens und Verschwindens und stellt sich damit in die lange Reihe von Autor*innen elegischer Österreich- und Wiendarstellungen.
Ein Leseerlebnis für alle, die diesen Klang lieben, aber auch für jene, die bereits in Seethalers frühen Büchern seine differenzierte Milieuzeichnung und Gesellschaftsdarstellung zu schätzen gelernt haben.
Rezensent: Antonie Magen
Weiterführende Informationen
Personen: Seethaler, Robert
Seeth
Seethaler, Robert ¬[Verfasser]:
Das Café ohne Namen : Roman / Robert Seethaler. - 2. Auflage. - Berlin : claassen, 2023. - 283 Seiten ; 21 cm
Einheitssacht.: ¬Das¬ Café ohne Namen
ISBN 978-3-546-10032-8 fest geb. : EUR 24.00
Schöne Literatur - Buch