Abbildung der Vielfältigkeit gesellschaftlicher Diskurse in der Tradition eines modernen Briefromans.
Rezension
Stephan und Theresa haben zusammen studiert und gewohnt und viel am Küchentisch diskutiert, bevor sie sich 20 Jahre aus den Augen verloren haben - und jetzt an der Alster wieder treffen. Ihre Leben drifteten weit auseinander; so ist Stephan Redakteur der bekanntesten Hamburger Zeitschrift, Theresa übernahm den Bauernhof ihres Vaters in der brandenburgischen Provinz. Nach einem ersten, hitzig verlaufenen Treffen wollen die beiden jedoch in Kontakt bleiben und kommunizieren über Whatsapp, Mail und Telegram. Mehr noch als die verschiedenen Lebensentwürfe prallen unterschiedliche Perspektiven auf Ökonomie, Ökologie, Politik und Gesellschaft aufeinander. Existenzielle Verzweiflung trifft auf moralischen Absolutismus. Was in der realen Welt eine unüberwindbare Mauer bedeutet, gelingt den beiden durch frühere Verbundenheit und nicht enden wollende Wertschätzung letztlich zu überwinden. Zwar gibt es in der Auseinandersetzung Beleidigungen und Aggressionen, aber die zunehmende private Verwobenheit, Theresas Ehekrise und Stephans Erleben von Mobbing in der Redaktion weiten die Kommunikation thematisch aus und wollen zeigen, dass persönliche Bindungen Auseinandersetzung möglich machen.
Autorin und Autor versuchen, aktuelle gesellschaftliche Themen wie Klimawandel, Rassismus und Gender literarisch aufbauend auf der Tradition des Briefromans auszubreiten und damit gesellschaftliche Mechanismen von Auseinandersetzung vorzustellen. Nicht schwarz/weiß zu zeichnen, sondern die titelgebenden Zwischen-Welten aufzuzeigen, die zunächst "Zwischen Welten" angeschaut werden wollen, gelingt und stellt sich einer Monokausalität gegenüber. Letztlich jedoch liest sich einiges zu gewollt, da klar wird, dass alle brennenden Themen der jüngsten Vergangenheit integriert werden sollten. Die Machart des Buches macht es möglich. Literarisch wenig interessant, gesellschaftlich aber eine differenzierte Spiegelung und damit in jedem Fall lesenswert.
Rezensent: Christine Vornehm
Personen: Zeh, Juli Urban, Simon
Zeh
Zeh, Juli ¬[Verfasser]:
Zwischen Welten : Roman / Juli Zeh, Simon Urban. - 1. Auflage. - München : Luchterhand, 2023. - 443 Seiten ; 22 cm
Einheitssacht.: Zwischen Welten
ISBN 978-3-630-87741-9 fest geb. : EUR 24.00
Schöne Literatur - Buch