Heimatroman, angesiedelt in einem archaisch anmutenden Tiroler Bergdorf. (DR) Die Rahmenerzählung lässt einen achtzigjährigen Amerikaner in seine alte Heimat nach Tirol reisen, um im Innsbrucker Landesarchiv einem Jahrzehnte zurückliegenden, ungelösten tragischen Fall nachzuspüren. Im Jänner 1951 ist ein kleines Tiroler Bergdorf von schweren Lawinen überrollt worden. John Millers Cousin Max Schreiber ist seit dieser Naturkatastrophe verschollen. Neben den zahlreichen Verschütteten ist auch noch der Tod einer jungen Frau zu beklagen, die erstochen worden ist. War Max Schreiber, der junge Historiker aus Wien, der Täter? Das Manuskript dieses Eindringlings in die archaische Dorfwelt bildet die Binnenerzählung. Diese erhalten gebliebenen Aufzeichnungen sind jedoch nicht in der Ich-Form abgefasst, sondern in der unpersönlichen Er-Form, wenn auch aus einer sehr tiefen Innensicht heraus in erlebter Rede. So, als ob der Schreiber über seinen Schatten berichtet habe, der "im Zwielicht des Bewusstseins" (Fernando Pessoa) nicht gewusst habe, wer er wirklich sei. Max hat sich in die junge Bäuerin Maria verliebt, obwohl er die stumme Frau mit dem roten Kopftuch meist nur aus der Ferne sieht. Die Eifersucht des Nachbarn, der auch heftig um Maria wirbt, und das Misstrauen der ganzen Dorfgemeinschaft sind ihm sicher, zumal Maria die Nachfahrin der vor 100 Jahren als Hexe verschrieenen Katharina Schwarzmann ist, die bei einem Brand ums Leben gekommen ist. Und genau diesem Fall schnüffelt der neugierige Wiener Doktor hinterher. Motivisch (die stumme Frau im Wald), sprachlich (sehr dicht gewebte, mit vielen Metaphern aufgeladene, lange Satzkonstruktionen) und erzähltechnisch (Seelenlandschaft und Naturereignisse korrespondieren sehr stark) sind immer wieder Anklänge an Adalbert Stifter wahrnehmbar. - Der bedächtige Erzählduktus und die aus der Zeit des Poetischen Realismus stammenden Elemente werden bei LeserInnen, die an diese bewährten Formen gewöhnt sind, einen angenehmen Wiedererkennungseffekt hervorrufen. Am besten an langen, ruhigen Herbst- oder Winterabenden zu lesen!
Personen: Jäger, Gerhard
Jäger, Gerhard:
¬Der¬ Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod : Roman / Gerhard Jäger. - München : Blessing, 2016. - 400 S.
ISBN 978-3-89667-571-2 fest geb. : ca. € 23,70
Schöne Literatur - Signatur: Jäger - Buch