„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Der erste Satz in Benedict Wells „Hard Land“ macht klar: Gleich zwei interessante Frauenfiguren treiben den erzählenden Protagonisten und die Handlung an. Der 16-jährige Sam ist ein schüchterner Außenseiter wie er in vielen Jugendbüchern steht. Sein einziger Freund ist weggezogen, die ältere Schwester hat das Haus verlassen, der arbeitslose Vater ist ein großer Schweiger. Und die Mutter, die in dieser Familie alles zusammenhält, stirbt an einem Tumor – in diesem Sommer, in dem Sam von einer Clique etwas älterer und sehr cooler Jugendlicher adoptiert wird. Gemeinsam jobben sie im Kino der langweiligen Kleinstadt, quatschen, trinken und kiffen halbe Nächte am Ufer des Sees, gehen auf Partys und absolvieren Mutproben, die sich immer Kirstie ausdenkt. Sie ist die ambivalente Hauptfigur im Zentrum der kleinen Truppe: schön, klug, einfühlsam, rücksichtslos und getrieben. Sie ist eine andere Alaska – John Greens gleichnamiges Buch ist einer der wichtigen Bezugspunkte dieses Coming-of-Age-Dramas. Benedict Wells webt ein weitläufiges Netz an Bezügen in die Handlung hinein: Neben vielen literarischen Kontexten (Kirstie sammelt erste Romansätze, auch der erste Satz in vorliegenden Roman ist eine Variation eines anderen ersten Satzes; der Titel „Hard Land“ wiederum ist der Titel eines fiktiven epischen Gedicht, das passagenweise zitiert wird und die Pointe vorbereitet, zugleich auch ein Bezug auf Joey Goebels „Heartland“, …) gibt es einen Soundtrack aus Musik der 1980er-Jahre (im „Brucemobil“, dem alten Pickup der Clique darf nur Springsteen gespielt werden, Sams Mutter steht total auf Billy Idol, dessen „Dancing With Myself“ wiederum Sam auf ihrem Begräbnis spielt, …), Filme werden gesehen und diskutiert (vor allem John Hughes und sein „Breakfast Club“, aber auch Nouvelle Vague, …). Wer mag, kann dem auf benedictwells.de nachgehen, aber die souverän entspannt erzählte Geschichte über Einsamkeit, Freundschaft, erste Liebe und das Erwachsenwerden funktioniert auch ohne tiefere Kenntnis der Popkultur der 1980er Jahre: Liebenswerte Figuren, schöne Bilder, Dialoge und Szenen, fast aphoristische Sätze sorgen dafür. Und die „Euphancholie“, die Kirstie so beschreibt: „Einerseits zerreißt’s dich vor Glück, gleichzeitig bis du schwermütig, weil du weißt, dass du was verlierst“. Angemessener Lesestoff für gerade noch Jugendliche und alle, die sich daran erinnern wollen.
Personen: Wells, Benedict
Wells
Wells, Benedict:
Hard Land : Roman / Benedict Wells. - Zürich : Diogenes, 2021. - 342 S.
ISBN 978-3-257-07148-1 fest geb. : ca. € 24,70
Schöne Literatur - Buch