Tagebuch eines selbstverliebten Losers, der beschlossen hat, sich in einem Jahr das Leben zu nehmen. (DR) Toni hat einen Namensvetter, der ein Hund ist und der Frau gehört, die nie aufgehört hat, ihn zu lieben. Das ist schon sehr viel Spoiler-Information, denn Águeda und ihr dicker schwarzer Hund tauchen erst in der zweiten Hälfte des 830-Seiten Wälzers auf. Aber ein wenig optimistische Vorausschau ist notwendig, wenn man die Aufzeichungen des Philosophielehrers durchstehen soll. Die ersten Einträge handeln von der Verbitterung des geschiedenen Mittfünfzigers, von den Demütigungen, die das Leben für ihn bereitgehalten hat, aber auch von den Treffen mit seinem einzigen Freund in Alfonsos Bar und dem wohltuenden Zusammenleben mit seiner Hündin Pepa. »Humpel«, wie der Tagebuchschreiber seinen Freund insgeheim nennt, beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Selbstmord und will sich Tonis Entschluss, am 31. Juli 2019 aus der Welt zu scheiden, anschließen. Die täglichen Einträge ergeben nach und nach ein Bild aus männlicher Perspektive, wie Biografien einer Generation scheitern können und Toni wird so etwas wie ein paradigmatischer Loser. Dem spanischen Autor, der mit dem Roman »Patria« einen Sensationserfolg in seiner spanischen Heimat gelandet hat, gelingt es nicht überzeugend genug, einen frauenfeindlichen Unterton zu vermeiden, was ihm auch viel Kritik eingebracht hat. Dennoch wird es Leser*innen geben, die das biografische Puzzlespiel mit dem nie sympathischen Ich-Erzähler mit Interesse verfolgen und erleben wollen, ob sein Selbstmord stattfindet. Das Buch zeigt das Leben in der Metropole Madrid mit konkreten Ortsangaben und (partei-)politischen Alltäglichkeiten, was hierzulande wenige Menschen zur Anteilnahme herausfordern wird. Die Anklänge an Texte existenzialistischer Philosophen sind sehr subtil und vielleicht nur für die Literaturwissenschaft interessant. Wer sich von Fernando Aramburu ein weiteres Gesellschaftstableau à la »Patria« erwartet, wird das Buch enttäuschend finden und als Einstiegslektüre in das Werk des Autors ist der vorangegangene Roman trotz seiner komplexen Struktur definitiv vorzuziehen. Über den Autor und weitere Mitwirkende Fernando Aramburu wurde 1959 in San Sebastián im Baskenland geboren. Seit Mitte der achtziger Jahre lebt er in Hannover. Für seine Romane wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Premio Vargas Llosa, dem Premio Biblioteca Breve, dem Premio Euskadi und zuletzt, für «Patria», mit dem Premio Nacional de la Crítica, dem Premio Nacional de Narrativa und dem Premio Strega Europeo. «Patria» wurde als Serie für HBO verfilmt. Willi Zurbrüggen, geboren 1949 in Borghorst, Westfalen. Er übersetzte u. a. Antonio Muñoz Molina, Luis Sepúlveda, Rolando Villazón und Fernando Aramburu aus dem Spanischen. Ausgezeichnet mit dem Übersetzerpreis des spanischen Kulturministeriums, dem Johann-Friedrich-von-Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis und dem Jane Scatcherd-Preis.
Personen: Aramburu, Fernando Zurbrüggen, Willi
Standort: Zell am See
DR Romane, Erzählungen ARAM
Aramburu, Fernando:
¬Die¬ Mauersegler : Roman / Fernando Aramburu. - 1. - Hamburg : Rowohlt Hundert Augen, 2022. - 827 Seiten
Einheitssacht.: Los vencejos. - aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen
ISBN 978-3-498-00303-6 fest geb. : EUR 28,80
DR Romane, Erzählungen - Buch: Dichtung