Keine weitere Jahresmonografie. Keine Großthesen über Zäsur und Neuanfang. Kein Versuch, sich der Gegenwart über den Weg einer ausgewählten Vergangenheit zu nähern. Stattdessen: Abschweifungen, Irrfahrten und Exkursionen am Rande der Geschichte. So verstanden ist " ca. 1972" der Name eines Chronotopos im Schatten der politischen Prozesse und kulturellen Aufbrüche der langen 1960er Jahre. Dekolonisierung, Schwarze Bürgerrechtsbewegung, der Mai 1968, die sexuelle Revolution und andere emanzipatorische Projekte schienen "ca. 1972" an ihren Widersprüchen gescheitert zu sein. Aber ist das schon die ganze Wahrheit? So ausgelaugt die technokratische Fortschrittsideologie wie die radikale Umbruchseuphorie der Nachkriegsmoderne wirken mochten, erlebten manche Zeitgenoss*innen eine Gegenwart, in der sie noch einmal "alles verbinden" konnten. Um den Komplexitäten dieser Konstellation aus Erschöpfung und Emphase gerecht zu werden, verzichtet dieses Buch auf Vollständigkeit oder Ausgewogenheit. Bilder und Menschen, Texte und Klänge weisen zwar Wege durch eine nervöse Raum-Zeit-Konstellation. Aber sie stützen nicht die Illusion etwaiger Orientierung. Und das ist schon eine der Komponenten der "Methode" mit Namen "ca. 1972".
Weiterführende Informationen
Personen: Holert, Tom
D 160 Holer
Holert, Tom [Verfasser]:
"ca. 1972" : Gewalt - Umwelt - Identität - Methode / Tom Holert. - 1. Auflage. - Leipzig : Spector Books, 2024. - 537 Seiten : Illustrationen
ISBN 978-3-95905-571-0 Broschur : 36,00 EUR
D 160 - Buch